text ADRIAN DAUB
Höchstens halbe Visionäre: Elon Musk, Donald Trump und die Kunst des Silicon-Valley-Schwenks
Unter den Milliardären aus dem Silicon Valley hat sich eine Art Arbeitsteilung etabliert. Es gibt diejenigen, die nur dann öffentlich auftreten, wenn es ein neues Produkt vorzustellen gilt. Dann sind da zweitens jene, die sich bemühen, öffentlich vorzumachen, wie das Silicon Valley erwachsen wird: Mark Zuckerberg postet Babyfotos, während seine Frau zur Arbeit in die Klinik fährt. Und schliesslich machen jene von sich reden, die in die Welt der Klatschpresse, des Glamours, der Medien drängen, mehr Howard Hughes als Warren Buffett. (...)
Eigentlich nicht weiter überraschend, dass Musk, der mit dem Elektroautobauer Tesla und dem Solarzellenhersteller Solar City auf erneuerbare Energie setzt und damit viel Geld verdient, öffentlich mit Trumps Regierung bricht. Und dass der passionierte Raketenbauer und Weltraumträumer über die Wissenschaftsskepsis des Präsidenten nicht gerade erfreut ist. Aber Musk wurde auch gefragt: Wieso eigentlich erst jetzt? Warum hat er es so lange in Trumps Beratergremien ausgehalten?
Die Antwort darauf hat mit Musks Selbstverständnis zu tun, und mit dem Selbstverständnis der Avantgarde des Silicon Valley. Die neuen Unternehmer, die diskret der klassischen Genie-Ästhetik huldigen, inszenieren sich als über dem Partikularen, über dem Politischen schwebende Visionäre. Es geht ihnen angeblich nicht um sich, sondern um das grosse Ganze. Sie sehen sich als jene, die berufen sind, ihre Träume zu verwirklichen und damit Kalifornien, die USA, ja den ganzen Planeten zu erlösen.
Die Rhetorik der Revolution
In seiner Biografie des Milliardärs stellt der Wirtschaftsjournalist Ashlee Vance Musk als Macher, Bastler und Schöpfer dar, sozusagen als einen Henry Ford des digitalen Zeitalters. Anders als die Software-Schrauber des Silicon Valley, die auf schnelles Geld schielten, gehe er Risiken ein, die sich erst in Jahrzehnten rechneten. Anstatt sich zu überlegen, wieso die Pizza nicht schnell genug ins Haus oder das Babyfoto nicht schnell genug unter die Leute komme, suche er die Antworten auf die grossen Herausforderungen von übermorgen.
Das Silicon Valley verspricht gerne Revolutionen, Weltverbesserung, aber am Schluss zaubern die Herren oftmals bloss ein Telefon aus dem Ärmel oder eine App mit schicker User-Experience und verkaufen diese als Zukunft. (...)
Ihrem Selbstverständnis nach ist die Denkart der wahren und echten Ingenieure des Silicon Valley darauf ausgerichtet, Probleme zu identifizieren und zu lösen. Musk stilisiert sich zum Denker, der die ganz fetten Probleme angeht. Der sieht, was benötigt wird, und der die Ressourcen bereitstellt, wenn der Staat sich einmal mehr sein Scheitern eingestehen muss. (...)
Den realen Stresstest für den Planeten scheint Probsts Vorbild Elon Musk erst einmal vermasselt zu haben. Er meinte, er könne auf Trump Einfluss ausüben, derweil entschiedene Opposition dem Klimaschutz wohl eher gedient hätte. Sosehr Musk sich als visionäres Vorbild verkauft, so sehr ist auch er im Grunde genommen für das Silicon Valley auf ganz andere Weise bezeichnend. Enthusiasmus und gute Absicht wird ihm keiner absprechen, aber Anspruch und Realität klaffen, auf sehr Silicon-Valley-typische Weise, auseinander. (...)