text | Bernd NOAK
Es gibt sie ja kaum noch, weil jeder zu Hause längst so einen Klopfsauger oder Schaumreiniger hat, irgend so ein Ding mit Teleskoprohr, mit dem man im Vorbeigehen den Boden piekfein säubern kann. Der ist ohnehin meist ausgelegt mit Meterware, fest verklebt, oder er ist parkettversiegelt. Wenn da noch eine Brücke oder ein Läufer drauf liegt, dann macht sich freilich niemand mehr die Mühe, das verstaubte Stück aufzunehmen und die Treppe hinunter zu tragen, um es draussen in frischer Luft – auszuklopfen.
Ja, richtig gelesen: ausklopfen – ein altes Wort, mit dem heute nur noch wenige etwas anfangen können, zumal zu ihm eine Vorrichtung gehört, die auch aus unserer Wahrnehmung verschwunden ist. Die Teppichstange. Vom Design her schlicht, gehörte sie einst zur Stadtmöblierung. Kein Hinterhof, in dem nicht in einer Ecke dieses Gebilde aus drei Stahlrohren stand.
Es wird geklopft
Ein bisschen sah es aus wie ein unvollständiges Fussballtor, als das es von Kindern auch immer wieder genutzt wurde, wenn man sich nicht zwecks übermütiger Leibesübungen an die oberste Stange krallte, um sich nach dem Misslingen eines Felgaufschwungs und dem sicheren Absturz ein paar Knochen zu prellen.
Wenn aber die Mutter (selten der Vater) kam, mit dem Flokati unterm Arm und einem seltsamen Gebilde aus kunstvoll geflochtenen Weiden, höchst stabil in der Hand, war Schluss mit der Tollerei. Dann wurde das gute Stück über die Stange gewuchtet, und die Arbeit ging los: eine ewig dauernde Prozedur, bei der mit Schmackes und ebendiesem Klopfer auf den Teppich eingedroschen wurde.
Immer wieder schlug die Mutter zu, der feine Staub löste sich und tanzte durch die klare Luft. Schämte man sich eigentlich, wenn ganze Wolken aufstoben, weil die Nachbarn hätten sehen können, wie schmutzig es doch wirklich war im trauten Heim? Und war diese Aktion mehr als nur ein Reinigungsritual, weil sich die Klopferin ganz legal mittels heftigster Schläge einmal so richtig abreagieren durfte?
Die Teppichstange (manchmal hatte sie gar zwei Haken, an denen eine Schaukel für die Kleinsten befestigt wurde) war in den Höfen oft das einzige Einrichtungsstück neben den Mülltonnen, die aufgereiht an einer Wand standen. Ein fest verankertes, einbetoniertes Teil, um dessen zwei Stäbe im Boden mitunter gar ein bisschen Grün spriesste im tristen und steinernen Ambiente. So unscheinbar und unauffällig war es, dass man sich in der Nacht den Kopf daran stossen konnte. Aber das war harmlos im Vergleich zu der Geschichte, die Erich Kästner in seiner «Ballade vom Nachahmungstrieb» erzählt.
Das Ende der Stange
Darin spielen Kinder die brutale Welt der Erwachsenen nach – und aus dem Utensil, das sonst für Sauberkeit sorgt, wird ein Mordwerkzeug. Der kleine Fritz muss dran glauben: «Sie steckten seinen Kopf in eine Schlinge. / Karl war der Pastor, lamentierte viel, / und sagte ihm, wenn er zu schrei’n anfinge, / verdürbe er den anderen das Spiel. / Fritz Naumann äusserte, ihm sei nicht bange. / Die andern waren ernst und führten ihn. / Man warf den Strick über die Teppichstange. / Und dann begann man, Fritzchen hochzuziehn.»
Die Lynchjustiz der Kinder, die es von den Grossen nicht anders gelernt hatten, war sicher nicht ausschlaggebend für das Verschwinden der Teppichstange. Das hat allein der kabellose Power-Sauger mit einzigartigem Managementsystem, konstant hoher Akkuleistung, akkusparendem Ein-Aus-Schalter und einem Mechanismus für eine punktgenaue hygienische Behälterentleerung geschafft, dessen Systemleistung gemessen und in Echtzeit auf dem LCD-Display angezeigt wird, um einen noch besseren Überblick über die Reinigung zu geben. Da können drei schnöde Eisenrohre nicht mehr mithalten.