Ich bin Luigi Snozzi nur ein Mal persönlich begegnet. Klaus Kada hatte den Wettbewerb Europäische Akademie Bozen gewonnen und ich konnte als Teil des Wettbewerbsteams an einer Beprechung in Bozen teilnehmen, an der Luigi Snozzi als Juryvorsitzender zugegen war. Ich erinnere ihn als Architekten, souverän und unbestechlich in seiner Argumentation, als Person abgeklärt, weise im Besten Sinne. Selten ist mir die Begenung mit einem Menschen so eindringlich in Erinnerung geblieben.
text | Gabriele Detterer
Luigi Snozzi – ein innovativer Querdenker
Er zählte zu den Erneuerern der Tessiner Architektur und war auch ein einflussreicher Theoretiker. Luigi Snozzi ist am 29. Dezember im Alter von 88 Jahren an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben.
Dem weitschweifigen Zerreden von Architektur gegenüber war er abgeneigt. Dies zeigen seine Aphorismen, die Luigi Snozzi in den siebziger Jahren verfasst und leicht verändert 2013 in Buchform veröffentlicht hat. Die emblematischen Text-Bilder sind ein Schlüssel zu den Leitlinien des architektonischen Schaffens von Luigi Snozzi, der 1932 in Mendrisio geboren wurde. Sie illustrieren sein Weltbild und behielten während der langen Zeit seiner Bau- und Lehrtätigkeit stets ihre Gültigkeit.
Zum Thema «Geduld in der Architektur» hat Luigi Snozzi zwar keinen Spruch formuliert, doch Geduld wurde ihm reichlich abverlangt. So wurde das von ihm 1993 entworfene, aus einem 100 Meter langen Bürohaus und einem turmförmigen Sitzungstrakt bestehende kantonale Bau- und Umweltamt in Bellinzona erst 2014 fertiggestellt. Die grossen Fensteröffnungen des halbovalen Turmbaus blicken auf die Anlage des Castel Grande. Ins Blickfeld rücken dadurch «Ruinen», die – so Snozzi – das bewahren, was nach dem Ende funktionaler Zweckdienlichkeit des Gebauten als Baukunst und Baukultur überzeitlich sichtbar bleibt.
«Es gibt nichts zu erfinden, alles ist wieder zu er-finden», meinte Snozzi lakonisch, wobei er den Schwerpunkt auf das Finden legte. Zur Gruppe der sich auf formale Ästhetik kaprizierenden Architekten gehörte der Tessiner Architekt, der in Locarno und in Lausanne Büros hatte, jedenfalls nicht. Die Besonderheit des Einzelbaus sollte sich immer in das Ganze der «città» und ihrer Bewohner einbetten. Demgemäss praktizierte Snozzi Architektur als eine Aufgabe, welche die Öffentlichkeit ebenso mit einbindet wie die sozialen Aspekte. Das verdeutlicht sein 1977 in Angriff genommenes Hauptwerk und Langzeitprojekt: die Neustrukturierung des zersiedelten Tessiner Dorfes Monte Carasso und die Erneuerung von dessen Dorfkern.
Für das Territorium
«Weiche der Verantwortung nicht aus. Setze dich mit der Form auseinander, in ihr wirst du den Menschen wiederfinden», lautete einer seiner Aphorismen. Wen Luigi Snozzi aus der Gesamtheit aller Menschen herausheben wollte, machte er ebenso deutlich: «lo sfruttato», den Ausgebeuteten. Diese Perspektive spiegelte die politische Haltung des Architekten und sein soziales Engagement wider, das mit dem Übergang der fünfziger in die sechziger Jahre seinen Anfang nahm. Das war die Zeit, in welcher der junge Tessiner Architekt mit dem 1957 erhaltenen Diplom der ETH Zürich in der Tasche in seiner Heimatregion tätig wurde und Weichen stellte, um die zeitgenössische Tessiner Architektur in neue Bahnen zu lenken.
(...)
>> Weiterlesen auf der Website „Neue Züricher Zeitung“