interview: Simon MOSER mit Michael HARTMANN
Gibt es eine globale Elite, die im Hintergrund die Fäden zieht? Natürlich nicht, sagt der Soziologe Michael Hartmann. Konzernchefs und Reiche hätten nur so viel Macht, wie ihnen die Gesellschaft zugesteht.
Standard: In Ihrem neuen Buch entzaubern Sie den Mythos einer internationalen Elite von Superreichen und Konzernlenkern, die den Lauf der Welt bestimmen. Worauf begründen Sie das?
Hartmann: Ich habe die Bildungs- und Karrierewege von Spitzenmanagern der 1000 größten Unternehmen der Welt und der 1000 reichsten Personen der Welt
analysiert. Die Ergebnisse sind eindeutig: Der Ausländeranteil bei Vorstandschefs beträgt zehn Prozent, bei Aufsichtsratsvorsitzenden noch weniger. Und von über 1000 Milliardären wohnen gerade einmal 19 im Ausland. Es ist zum Beispiel falsch, dass russische Milliardäre alle außerhalb Russlands wohnen, in teuren Immobilien in London und der Schweiz. Von den 45 reichsten Russen wohnen zwei dauerhaft im Ausland. Gerade dort gilt: Man muss in Moskau sein und Kontakt zur politischen Führung halten, weil man sonst sein Unternehmen nicht zusammenhalten kann. (...)
Standard: Welche politischen Maßnahmen empfehlen Sie?
Hartmann: Was man machen kann, hängt natürlich von der Größe des Landes ab. Aber selbst Österreich kann mehr machen, als man gemeinhin denkt. Weil die Eliten und auch die Unternehmen im Kern national sind, kann man den Drohungen, sie würden einfach weggehen, viel gelassener gegenüberstehen. Länder wie Deutschland können es machen wie die USA. Von über 300 US-Milliardären unter den 1000 reichsten Menschen der Welt leben ganze drei im Ausland, von 67 Deutschen aber 19, davon 14 in der Schweiz. Die US-Behörden sagen, es ist uns egal wo jemand lebt. Solange er unsere Staatsbürgerschaft hat, zahlt er unsere Steuern. Und wenn er in der Schweiz weniger zahlt, zahlt er den Differenzbetrag bei uns nach. Und wenn er dann die Staatsbürgerschaft abgibt, muss er eine Exitsteuer zahlen von mehr als 20 Prozent auf sein gesamtes Vermögen. Das verringert den Reiz, ins Ausland zu ziehen, natürlich deutlich. (...)
Michael Hartmann (64) war Professor für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt. Zum Arbeitsschwerpunkt Elitenforschung hat er mehrere Bücher verfasst. Anlässlich des Erscheinens seines neuesten Werkes „Die globale Wirtschaftselite – eine Legende“ diskutiert Hartmann am 9. November um 19 Uhr an der Universität Salzburg (Kleine Bibliotheksaula, Hofstallgasse 4) mit Ö1-Redakteurin Renata Schmidtkunz und STANDARD - Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid.
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