text PHILIPP MEIER
Claude Monet malt die Halluzinationen auf seiner eigenen Netzhaut: Der Meister ist in der Fondation Beyeler neu zu entdecken
Warum eigentlich hängen wir immer noch Bilder an unsere Wände? Wäre das nicht längst passé? Bilder, um das nackte Gemäuer zu schmücken, damit die Leere uns nicht von der Wand herab anstarrt? Vieles davon ist oft Dekoration, die gut zum Sofa passen soll. Deshalb wohl machen ernsthafte Künstler bisweilen einen Bogen um Pinsel und Leinwand, sie machen stattdessen Installationen oder gar Computerkunst. Solch sperrige und virtuelle Dinge haben keinen Platz im Wohnzimmer. (...)
Monet schlug eine entscheidende Bresche für das, was in der Kunst noch kommen sollte. Die moderne Malerei fand ihre Grundlage bei ihm, der zur Vaterfigur für Rothko, Pollock, Sam Francis, ja wohl auch Cy Twombly wurde, wie Ausstellungen nach der Jahrtausendwende in Riehen und in München aufzeigten.
Was aber malte Claude Monet denn eigentlich, wenn er die Landschaft, das Meer, die Felsen, Strände, Kathedralen, Alleen, Mohnfelder, Gärten, Teiche, Brücken – und die berühmten Seerosen malte? Monet malte all dies, und malte es auch nicht. Er malte nicht einmal Abbilder von all dem, wenn man genau hinschaut. Um selber genau hinschauen zu können, schaute Monet oft am Motiv vorbei, als wollte er eine Wahrheit desselben in der Unschärfe finden, in dessen Schattenlöchern entdecken. Um nicht einfach nur Kopist der Wirklichkeit zu sein, nahm er als Sujet bei jeder Gelegenheit bereits immer schon Abbilder in den Blick. (...)