text JEAN-CLAUDE ELLENA
(109) Widerstand
Es ist nicht der Markt, der den olfaktiven Ausdruck nivelliert, sondern das, was wir ihm bieten. Als ich das begriffen habe, bin ich nach und nach in Widerstand getreten. Ich kämpfe gegen eine „vereinheitlichte“ Parfümerie, die gefällig sein will, auf Leistung setzt und sich selbst normiert, kann sich nicht regenerieren und erneuern.
Kein Manifest, keine wortgewaltige Statements; ich suche für das Parfum eine gelassene Präsenz. Für mich muss ein Parfum in die Nase flüstern, sich an das Intimste richten, sich mit dem Denken verbinden. Um es zu finden, ignoriere ich die Regeln des Marktes, umgehe das Dogma Feminin versus Maskulin. Ich habe nichts für die Bezeichnung „Unisex“ oder „gemischte“ Parfums übrig, die Anwendung definiert kein Genre. Ich biete Parfums an, die zu teilen sind, Parfum-Romane, Parfum-Novellen, Parfum-Gedichte.
(113,114) Stil
Da ich mich bemüht habe, den Stil meiner Kompositionen zu definieren, meine Art, ein Parfum zu schreiben, weiß ich, dass in einer allzu großen Treue mir selbst gegenüber eine Gefahr liegen kann. Die Wiederholung kann zur Stagnation, zu Stillstand, ja zur Karikatur führen. Wenn ich mich in einen bestimmten Ausdruck einschließe, setze ich mich dem Risiko aus, dass man nichts mehr von mir erwartet. Und wenn ich umgekehrt zu sehr auf die anderen höre, mich dem Einfluss der Tendenzen unterwerfe, fange ich an, mit dem „Zeitgeist“ zu schwimmen und meine Besonderheit zu verlieren. Es ist mir schon passiert, dass ich alles verkompliziert habe, wirre Formeln aufgestellt habe, um am Ende alles wegzuwerfen, zu vergessen und von vorne anzufangen, um mich wiederzufinden. Stets das Gleichgewicht eines Seiltänzers suchend, muss ich den anderen zuhören können, ohne blind auf sie zu hören. Wenn ich auch ein klares Bewusstsein habe von dem, was ich mache, so hege und pflege ich doch den Zweifel: Etwas Besseres, um Kreativ zu sein, kenne ich nicht.
„Der geträumte Duft, Aus dem Leben eines Parfumeurs“, Jean-Claude Ellena, aus dem Französischen von Lis Künzli, Insel-Verlag 2012