interview: Michael HIERNER mit Stefano BOERI

 

Die et­wa 780 Bäu­me wach­sen auf dem Bo­sco Ver­ti­ca­le – dem ver­ti­ka­len Wald – in Mai­land. Die bei­den Wohn­hoch­häu­ser wur­den vom ita­lie­ni­schen Ar­chi­tek­ten Ste­fa­no Boe­ri ge­plant, der da­rin den Pro­to­typ für ei­ne bio­di­ver­se Ar­chi­tek­tur der Zu­kunft sieht.

 

Stan­dard: Zeigt der Bo­sco Ver­ti­ca­le die Zu­kunft der Ar­chi­tek­tur?

Boe­ri: Der Bo­sco Ver­ti­ca­le zeigt ein mög­li­ches Zu­kunftss­ze­na­rio. Nicht nur der Mensch wird in den dich­ten Städ­ten ver­ti­kal le­ben, son­dern auch die Bäu­me. Es wird ei­ne Sym­bio­se zwi­schen uns und den Pflan­zen ge­ben. Für mich ist die­se Ar­chi­tek­tur auch ein Ex­pe­ri­ment. Beim Bau muss­ten vie­le tech­ni­sche Pro­ble­me ge­löst wer­den, et­wa je­nes, wie man Bäu­me mit Dräh­ten ge­gen den Wind ab­si­chern kann. Die Ge­bäu­de zei­gen, was tech­nisch mach­bar ist und in wel­che Rich­tung es sich ent­wi­ckeln könn­te.

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Stan­dard: Wel­che Wir­kung ha­ben die Bäu­me auf sie?

Boe­ri: Wir ha­ben ei­ne ganz be­son­de­re Wir­kung ent­deckt: Men­schen be­kom­men in Hoch­häus­ern manch­mal Hö­hen­angst und Schwin­del­ge­füh­le. Im Bo­sco Ver­ti­ca­le sind die­se Emp­fin­dun­gen aber für vie­le Be­trof­fe­ne wie weg­ge­bla­sen, weil die Bäu­me Sta­bi­li­tät und Si­cher­heit aus­strah­len.

Stan­dard: Ist der Bo­sco Ver­ti­ca­le Ihr er­stes Pro­jekt, bei dem Sie Na­tur mit Ar­chi­tek­tur ver­bun­den ha­ben?

Boe­ri: Ich ha­be das schon bei an­de­ren Pro­jek­ten ge­macht, je­doch nie in ei­nem so gro­ßen Maß­stab. Beim Bo­sco Ver­ti­ca­le ha­be ich ver­sucht, al­les auf die Spit­ze zu trei­ben, war re­gel­recht be­ses­sen von der Idee, mög­lichst gro­ße Bäu­me zu ver­wen­den. Ich glau­be, dass Bäu­me In­di­vi­du­en sind und je­der ei­ne ei­ge­ne Iden­ti­tät hat.

Stan­dard: Was hat Sie in­spi­riert?

Boe­ri: Mich hat ein Ro­man des ita­lie­ni­schen Schrift­stel­lers Ita­lo Cal­vi­no sehr be­ein­druckt. In sei­nem Buch Il bar­one ram­pan­te (Der Ba­ron auf den Bäu­men) geht es um ei­nen Mann, der ei­nes Ta­ges be­schließt, den Bo­den zu ver­las­sen, um auf Bäu­men zu le­ben. Ich er­in­ne­re mich auch an Jo­seph Beuys, der 1982 auf der Do­cu­men­ta in Kas­sel 7000 Ba­salt­stei­ne ver­kauf­te, für die er dann je­weils ei­ne Ei­che in der Stadt an­pflanz­te und so den Stadt­raum mit Bäu­men ver­än­der­te. Die stärk­ste In­spi­ra­ti­on kam aber von Frie­dens­reich Hun­dert­was­ser, den ich 1973 bei der Trien­na­le in Mai­land sah, wo er mit ei­nem rie­si­gen Baum in der Hand durch die Stra­ßen ging.

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