Text ULF MEYER foto OSAMU NISHIDA
Zwischen Räumen leben
Der Wohnbau in Japan schafft Wohnqualität auf wenigen Quadratmetern. Ein Wohnzimmer kann in flexiblen Raumkonzepten auch zur öffentlich zugänglichen Zone für jedermann werden.
Wozu besitzen, wenn man auch teilen kann? Ein Haus in Yokohama, Japans drittgrößter Stadt, macht das zwischenmenschliche, urbane Miteinander exemplarisch vor. Architekt Osamu Nishida hat mit seinem Kanagawa Apartment House ein Konglomerat aus privaten Hausteilen geschaffen, die sich rund um eine öffentliche Hausmitte gruppieren. In diesem frei zugänglichen Atrium wird gekocht, gegessen und gewohnt. Quasi mitten auf der Straße.
Um den zentralen Zwischenraum, „chanoma“ genannt, auch bei kühlem Wetter nutzbar zu halten, hat der Architekt Osamu Nishida dicke, durchsichtige Plastiklamellen, wie man sie aus Kühlhäusern kennt, einfach in die Öffnungen gehängt. Schlanke, weiße Stahltreppen führen frei durch den Raum und erschließen die privaten Schlaf- und Rückzugsräume im Obergeschoß. Auf diese Weise ist es gelungen, auf einem nur 140 Quadratmeter großen Grundstück ein ebenso großes Haus hinzustellen, ohne jedoch dabei die winzige Parzelle voll zu bebauen. In jedem Raum des schlohweißen Gebäudes gibt es Tageslicht.
Das Kanagawa Apartment House ist typisch für die zeitgenössische japanische Wohnbauszene, die aus Nöten Tugenden macht.
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Das Talent für das Kleine, so Kuma, entspringe aus der Tradition der „cha-shitsu“, der kleinen japanischen Teehäuser, die im Garten oft als Ausblickspunkt und Ort der inneren Einkehr gebaut werden. Die bonsaihafte Miniaturisierung und der Rückgriff auf das bauliche Erbe bringen auch wieder Wärme und Wohnlichkeit zurück in die zeitgenössische Architektur.
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